"Gute" Verfassungsbeschwerden kommen in das Allgemeine Register, und bei ihnen kommt es überhaupt nicht darauf an, ob und welche Verletzung an den Rechten angezeigt werden. Es geht ausschließlich darum, ob die erhobene Verfassungsbeschwerde mit den im Merkblatt des Gerichts gelisteten Vorgaben vereinbar ist, denen nach Meinung der Bundesverfassungsrichter eine Beschwerde zu entsprechen hat.
In das Allgemeine Register werden gem. § 63 BVerfGGO (ab Nov. 2014, zuvor § 60 BVerfGGO) folgendes eingetragen:
§ 63 BVerfGGO
Also werden "gute" Verfassungsbeschwerden durch den Eintrag in das Allgemeine Register zu einer Justizverwaltungsangelegenheit heruntergestuft, während "GUTE" in das Verfahrensregister eingetragen werden.
Wer entscheidet nun, ob es sich bei Verfassungsbeschwerden um "GUTE" handelt, oder um "gute", bei denen "eine Annahme zur Entscheidung (§ 93a BVerfGG) nicht in Betracht kommt, weil sie offensichtlich unzulässig sind oder unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts offensichtlich keinen Erfolg haben können"?.
Das Recht zur Entscheidung, ob eine Verfassungsbeschwerde statt in das Allgemeine Register eingetragen wird, treffen gem. § 60 BVerfGGO in der Fassung bis Ende 2014 "der Präsident oder der Vizepräsident. Der Präsident kann die Entscheidungsbefugnis allgemein auf die Präsidialräte übertragen." Auf dieser Grundlage wurde in § 64 BVerfGGO beschlossen:
Auf dieser Grundlage entscheiden seit Jahrzehnten die zur Postauszeichnung berufenen Mitarbeiter der Verwaltung des Bundesverfassungsgerichts, ob eine Verfassungsbeschwerde eine gute oder eine schlechte ist, ob sie in das Verfahrensregister oder in das Allgemeine Register eingetragen wird. Grundlage das Merkblatt des Bundesverfassungsgerichts.
Ein Beispiel aus dem Jahr 1999. Auszugsweise die Seite 1 des Schreibens des Präsidialrates Dr. Hiegert vom 12.01.2000, mit dem mitgeteilt wird, dass die am 16.12.1999 gegen das Bundeswahlgesetz erhobene Verfassungsbeschwerde unter Az. AR 7544/99 in das Allgemeine Register eingetragen wurde. Grundlage, wie im Betreff angezeigt, das Merkblatt.
Das ganze Schreiben kann hier aufgerufen werden. Aber allein schon aus der abgedruckten Seite 1 ist ersichtlich, dass die Begründung zur Eintragung der Verfassungsbeschwerde in das Allgemeine Register eine rechtliche Würdigung des Vortrags darstellt, die den Richtern vorbehalten ist. Entschieden aber wurde nicht von Bundesverfassungsrichtern, sondern vom Präsidialrat Dr. Hiegert, wie bei Aufruf des Schreibens ersichtlich ist. Präsidialrat Dr. Hiegert ist ein Verwaltungsbeamter, zwar zur Rechtsprechung befähigt, aber nicht zur Rechtsprechung befugt.
Die Entscheidungsbefugnis wurde ihm gemäß § 60 BVerfGGO in der 1986 bis 2014 gültigen Fassung von den Bundesverfassungsrichtern übertragen: "Der Präsident kann die Entscheidungsbefugnis allgemein auf die Präsidialräte übertragen."
Relevant ist jedoch nur § 63 Abs. 1 Nr. 2a BVerfGGO (Abdruck oben), indem hier über Verfassungsbeschwerden zu entscheiden ist. Die sonstigen Regelungen in Abs. 1 und Abs. 2b und c sind völlig unbeachtlich, weil durch diese das Recht auf den gesetzlichen Richter nicht verletzt werden kann.
Und jetzt die spannende Frage:
Durften die Bundesverfassungsrichter
diese Entscheidungsbefugnis
auf Mitglieder der Gerichtsverwaltung übertragen?
Auf der Grundlage ihrer Geschäftsordnung?
Und noch spannender die Frage:
Wurde diese Entscheidungbefugnis überhaupt einmal
wirksam per Urkunde auf die Gerichtsverwaltung übertragen?
Auf jeden Fall gilt: Ohne Urkunde keine wirksame Übertragung der Entscheidungsbefugnis. Dazu ist bereits auf Seite BVerfGGO vorgetragen.
Und ohne Merkblatt ist die Gerichtsverwaltung nicht in der Lage, als Unbefugte im Sinne der Bundesverfassungsrichter über Zulässigkeit bzw. Begründetheit von Eingaben zu entscheiden.
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