Nach einer Bundestagswahl ist es Aufgabe der neu gewählten Abgeordneten, einen Bundeskanzler zu wählen. Dieser bildet sodann seine Regierung.
Funktioniert nur dann, wenn der Bundestag von einer Mehrheit
von Abgeordneten beherrscht wird, die einer Partei angehören.
Dieser Fall ist schon seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben (ist aber auf Länderebene, z. B. in Bayern, durchaus möglich). Regelmäßig gegeben ist der Fall, dass keine Partei die Mehrheit der Abgeordneten im Bundestag stellt, und damit auch die Mitglieder einer Partei alleine keinen Bundeskanzler installieren können.
Gemäß den Ausführungen auf Seite Parteigänger ohne Haftung sind zur Entscheidung, wer Bundeskanzler wird, als Folge der jeweiligen Bundestagswahl nur die gewählten Abgeordneten legitimiert. Diese müssten, wenn es nach Recht und Gesetz gehen würde, ohne Einwirken ihrer Parteien so lange Wahlgänge abhalten, bis sich die Mehrheit der Abgeordneten auf einen Kandidaten verständigen konnte, der dann zum Bundeskanzler gewählt ist. Grundsätzlich könnte der Fall eintreten, dass die neu gewählten Abgeordneten sich dauerhaft auf keinen Bundeskanzler einigen könnten. Dann gibt es Neuwahlen.
Dieses Problem wurde von den Parteien derart gelöst, dass Parteien bzw. deren Vertreter so genannte Koalitionen bilden, die zusammen die Mehrheit der Abgeordneten im Bundestag stellen und gemeinsam den Bundeskanzler wählen. Für diese Praxis gibt es keine Rechtsgrundlage, es wird nur so gehandhabt.
Finden sich Parteien zusammen, die koalierend gemeinsam die Mehrheit im Bundestag stellen, dann wird der Bundeskanzler von der koalierenden Partei gestellt, welche die meisten Abgeordneten im Bundestag platzieren konnte.
Dass diese Verhandlungen zwischen den Parteien von Parteimitgliedern geführt werden, die hierzu nicht legitimiert sind, ist auf Seite Parteigänger ohne Haftung bereits vorgestellt.
Dass derzeit Sondierungsverhandlungen zwischen Parteien, wie sie derzeit zwischen CDU, CSU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen laufen und mit denen erkundet wird, ob eine so genannte Jamaika-Koalition Erfolgsaussichten einzuräumen sind, ist bekannt,
An die Sonderungsverhandlungen, sofern sie erfolgreich waren, schließen sich dann die konkreten Koalitionsverhandlungen an. Wie solche Verhandlungen laufen, wurde von Ulla Schmidt in einem Interview, publiziert auf gmx.net, kundgetan. Das Interview wurde von Fabian Busch geführt. Titel: Jamaika: SPD-Politikerin Ulla Schmidt erklärt, wie Koalitionsverhandlungen ablaufen.
Von Bedeutung ist nur eine Passage:
Frau Schmidt, vor Koalitionsverhandlungen ist immer sehr viel von roten Linien und Forderungen die Rede. Geht das hinter verschlossenen Türen so weiter?
Ulla Schmidt: Nein. Wer verhandelt, muss versuchen, Kompromisse zu finden. Und man muss respektieren, dass es für jede Partei Punkte gibt, bei denen sie eher die Verhandlungen platzen lassen würde als zuzustimmen. Das Wichtigste ist, dass jede Partei ihr Gesicht wahren kann.
Das hört sich wahrscheinlich einfacher an als es ist.
Das ist schwierig, aber das ist das Wichtigste. Eine Partei darf vom Verhandlungspartner nicht über den Tisch gezogen werden.
Sie muss die Einigungen schließlich später auch gegenüber ihren Mitgliedern vertreten. Bei uns in der SPD hat sich 2013 eine Mehrheit der Mitglieder für den Koalitionsvertrag mit der Union ausgesprochen, weil sozialdemokratische Herzstücke enthalten waren - wie zum Beispiel der Mindestlohn.
Die wesentlichen Punkte herausgestellt:
Hier wird deutlich, was nach einer Bundestagswahl passiert.
Das entscheidende aber ist, dass die Parteien die Reduktion ihrer Ziele und den Bruch von Wahlversprechen nicht gegenüber dem Wählervolk, sondern gegenüber den Mitgliedern der Partei vertreten müssen.
Auf Parteitagen entscheiden die Mitglieder der Parteien,
ob es zur Koalition kommt.
Und das Wählervolk? Es hat ja mit der Wahl entschieden, welche Partei mit wie vielen Parteimitgliedern im Bundestag sitzt - und damit hat sich das Recht der Wähler erledigt mitzubestimmen, wer die künftige Bundesregierung stellt und ob es mit reduzierten Wahlversprechen einig geht.
Wenn schon, dann wäre es richtig, dass nach der Vereinbarung eines Koalitionsvertrages das Wählervolk darüber abstimmt,
ob es mit diesem Vertrag einig geht.
Das Volk aber wird hierzu nicht gefragt. Entscheiden darüber, wer die neue Bundesregierung bilden wird, wer an dieser als Minister und/oder Staatssekretär etc. beteiligt sein wird, welche Ziele diese Regierung verfolgt, welche Vorhaben sie umsetzen will und welche nicht, tun hierzu nicht legitimierte Parteimitglieder in Koalitionsverhandlungen und auf Parteitagen, nicht die exklusiv hierzu legitimierten und neu in den Bundestag gewählten Abgeordneten, und auch nicht das Wählervolk, dem gegebene Wahlversprechen durch die Koalitionsvereinbarungen entzogen werden.
Verhandelt und abgeschlossen wird der Koalitionsvertrag von Parteien bzw. den Mitgliedern von Parteien, die vom Wähler per Bundestagswahl nicht dazu legitimiert wurden, darüber zu befinden und zu entscheiden, wer künftiger Bundeskanzler wird: Für die verbindliche Bestimmung des Bundeskanzlers in Koalitionsverhandlungen gibt es keine Rechtsgrundlage.
Die Wahl des Bundeskanzlers im Bundestag durch die Bundestagsabgeordneten ist so eine rein formelle Angelegenheit, denn:
Real wird der Bundeskanzler in Koalitionsvereinbarungen
und auf Parteitagen der beteiligten Parteien bestimmt.
Im Bundestag wird mit der Wahl des Bundeskanzlers von der Mehrheit der der Koalition angehörenden Bundestagsabgeordneten nur die Entscheidung umgesetzt, die von den im Fall ca. 50 an den Koalitionsverhandlungen beteiligten Personen und der Genehmigung der Koalitionsverträge durch die Parteitage der beteiligten Parteien vorab festgelegt ist. Deshalb:
Die Wahl des Bundeskanzlers im Bundestag ist eine farce.
Die Abgeordneten sind lt. Artikel 38 GG nur ihrem Gewissen unterworfen:
Artikel 38 GG